Aarburg, 12.10.2016
Am 7. Oktober 2016, wollte Herr Konrad Stähelin, Journalist von der Aargauer Zeitung (AZ), unsere Stellung als Union Albanischer Imame in der Schweiz (UAIS) zum Imam aus Bern Mustafa Memeti und vor allem zu seinen Äusserungen über Burka-, Handschlag- und Schwimmunterrichtfragen. In erster Linie wollte er erfahren, ob der Imam aus Bern die einzige moderate Stimme der Muslime in der Schweiz sei.
Wir haben seine Fragen beantwortet und heute, 12.10.2016, von ca. drei Seiten unserer Antworten, konnte man nur folgenden Satz lesen: «Wir sind immer bereit und offen, unsere Positionen zu bestimmten Themen vorzubringen.»
Wir sehen es als unsere Pflicht gegenüber der Schweizer Öffentlichkeit, die vom Journalisten gestellten Fragen mit unseren Antworten, unverändert, hier auf unsere Webseite zu veröffentlichen.
- AZ: Mustafa Memeti befürwortet ein Burkaverbot. Was hält die UAIS davon? Wie ist die Einstellung der UAIS dazu?
- UAIS: Wir als Union Albanischer Imame in der Schweiz (UAIS) kommentieren die Meinungen von irgendeinem Imam in der Schweiz grundsätzlich nicht. Sie dürfen gleiche, ähnliche oder sogar unterschiedliche Meinungen zu bestimmten Themen haben. Diese Meinungsfreiheit respektieren wir.
Die UAIS befürwortet das Burka- oder Nikabtragen nicht und sieht dieses nicht als religiöse Anforderung. Dennoch gibt es Frauen aus anderen islamischen Rechtsschulen und Richtungen, wie die malikitische und hanbalitische, die aus religiösen Gründen eine Burka oder Nikab tragen. Weiteres, es gibt auch Frauen aus anderen Religionen, die eine Burka-ähnliche Verhüllung aus religiösen Gründen tragen. In diesem Sinne, die UAIS steht für das in der Bundesverfassung verankerte Grundrecht der Glaubens- und Gewissensfreiheit und dass die Einschränkungen von Grundrechten unter anderem auch verhältnismässig sein müssen. Wir glauben, dass Kleidervorschriften in der Verfassung fehl am Platz sind. Somit werden die schon als isoliert betrachtende Frauen, nicht zauberhaft in die Schweizer Gesellschaft integriert werden. Zudem, aus den früheren Erfahrungen mit solchen politischen Debatten, ist es zu erwarten, dass Muslime als Religionsgruppe stigmatisiert und an den Rand der Gesellschaft gedrängt werden können. Diese bitteren Erfahrungen haben uns gelehrt, dass radikale und unverhältnismässige Massnahmen, nur zu einer Erschwerung der Integration und zur Neigung nach Radikalisierung muslimischer Jugendlichen führen können und demzufolge auch kontraproduktiv sind.
- AZ: M.M. sagt generell, das Gesetz komme vor religiösen Bräuchen, solange diese nicht absolut zwingend vom Koran vorgegeben sind. Deswegen sei Schwimmunterricht für muslimische Mädchen Pflicht und Handschläge dürften den Lehrern nicht verweigert werden. Wie stellt sich die UAI zu diesen Sachfragen? Und wie sieht die UAI die Beziehung zwischen schweizerischem Recht und Koran generell?
- UAIS: Die UAIS stellt den Koran und das Schweizerische Recht nicht gleich. Sie sind im Kern zwei unterschiedliche Dinge. Der Koran ist vor allem ein religiöses Buch und man kann zwei verschiedene religiöse, heilige Bücher, zwei Rechtssysteme und z.B. zwei Chemiebücher vergleichen. Aber ein heiliges Buch mit einem Chemiebuch oder mit einem Rechtsbuch zu vergleichen ist nicht möglich. Dass der Koran sich über verschiedene Themen der Gesellschaft äussert und manchmal auch verschiedene Regeln festlegt, ist zu berücksichtigen. Es gibt Regeln oder Prinzipien im Koran, die über die ganze Geschichte und über alle Zeiten hinaus Geltung finden, wie es auch Regeln gibt, die zeitlich und kulturell bedingt sind. In einem Fall, wo die Regeln des Islams mit dem Recht eines Landes konfrontieren, schauen wir ob da eine Interpretationsmöglichkeit oder eine weitere Alternative aus der inner-islamischen Hinsicht für diese islamischen Regeln gibt. Wenn auch das nicht der Fall ist, dann ist das geltende Recht des Landes zu respektieren. Aus dieser Perspektive betrachtet UAIS auch die beiden von Ihnen gebrachten Beispielen, nämlich den Schwimmunterricht und das Handschlagen mit Lehrpersonen. Grundsätzlich stehen wir dafür, dass die religiöse Überzeugung und Frömmigkeit der Menschen respektiert wird. Wenn z.B. einer nach dem Geschlecht getrennten Schwimmunterricht nicht möglich ist, was momentan der Fall ist, dann schauen wir ob da ein Kompromiss mit bestimmten Kleidern wie z.B. «Burkini» möglich ist. Wenn auch das nicht der Fall ist, dann empfehlen wir den muslimischen Kindern, Jungs und Mädchen gleichermassen, den normalen Schwimmunterricht zu besuchen. Handreichen betrachten wir aus gleicher Perspektive… In der Schweizerischen Kultur betrachtet man das Handschlagen vorerst als ein Zeichen des Respekts und nicht als eine sexistische Handlung. Demzufolge empfehlen wir den muslimischen Schüler hier in der Schweiz das Handschlagen aus dieser Perspektive anzuschauen und dies nicht zu verweigern.
- AZ: M.M. äussert sich in den oft als die einzige Stimme der moderaten Muslime, andere sind in den Medien seltener anzutreffen. Wie steht der UAI dazu? Fühlt sich die UAI manchmal falsch repräsentiert? Falls ja, in welchen Sachfragen hätten Sie eine andere Position als M.M. eingenommen?
- UAIS: Wir sehen hier kein Bedürfnis, diesbezüglich eine Stellung zu nehmen. Wir sind immer bereit und offen, unsere Positionen zu bestimmten Themen vorzubringen. Wenn ein Medium uns keinen Platz dafür einräumt, gibt es weitere Medien und Kanäle, die das ermöglichen könnten.
- AZ: Es bestehen Vorwürfe von verschiedenen Seiten an die UAI, sie (bzw. viele ihrer Mitglieder) sei in ihren Ideen deutlich radikaler als sie zu sein vorgibt (z.B. Tages Anzeiger «Drehscheibe für salafistische Imame» und «Doppelte Agenda»). Dies sei der Grund für eine Abspaltung vom Albanisch islamischen Verband gewesen. Was sagen Sie zu diesen Vorwürfen?
- UAIS: Wir weisen diese Vorwürfe auf das schärfste zurück. Alle Albanischen Imame in der Schweiz sind nach den geforderten rechtlichen Grundlagen angestellt worden. Sie lernen eine Landessprache, besuchen Integrationskurse und unterschreiben Integrationsvereinbarungen mit dem Kanton. Sie machen das auch gerne. Keiner Imam verweigert, die geltende Rechtsnormen des Staates zu respektieren. Sie bringen aus ihren Heimatländern die Jahrhunderte lang gepflegte Kultur der Multireligiösität, Multinationalität und Multikulturalität mit. Die Tätigkeit unserer Imame ist transparent und beobachtbar.
Des Weiteren, wir als UAIS sind nicht vom besagten Albanisch Islamischen Verband abgespaltet, weil wir nie unter gleichem Dach gewesen sind. Sogar ist dieser Verband, mit der jetzigen Struktur, nach der Begründung von UAIS wiedergegründet und umstrukturiert. Im Jahr 2004 versuchten wir, als zwei verschiedene Körperschaften, eine gemeinsame Dachorganisation für alle Albanischen Moscheen zu gründen. Dies wurde wegen organisatorischen, und nicht wegen ideologischen Gründen gescheitert. Uns trennt also sehr wenig die Form und Weise, wie wir den Islam verstehen, interpretieren und ausüben.
- AZ: Wie viele der rund 200.000 Albaner in der Schweiz vertritt die UAI? Wie viele Moscheen sind unter dem Dach der UAI organisiert?
UAIS: Nicht alle Albanisch sprechende in der Schweiz sind muslimisch, und auch nicht alle albanische Muslime sind Mitglieder in den albanischen Moscheen. Unter dem Dach der UAIS sind 21 hundertprozentig und 8 teilprozentig angestellten Imame mit ihren Moscheen sowie 10 weitere Moscheen, die keine angestellten Imame haben, aber die mit UAIS kooperieren. Es gibt etwa noch duzende Moscheen, die sich unabhängig organisiert sind. Bestimmte Zahlen über die Mitglieder dieser Moscheen haben wir keine. Es gibt Moscheen, die etwa 100 Familien als Mitglieder haben, es gibt wiederum manche, die über 500 solche Mitglieder haben.